Dienstag, 7. Juni 2011

Wenn Ratten in meinem Bett schlafen und Schweine mit mir baden, dann bin ich im Missionseinsatz im Busch



Ich habe sechs Tage im Dorf verbracht. Ich bin zwar im Dorf aufgewachsen, aber Dorf ist hier in Sambia eine anderes Wort für Busch oder "Überlebenskampf".
Ich habe Pastor Mbewe gebeten, dass ich für eine Woche im tiefsten Busch leben kann um die Missionsarbeit dort live mitzuerleben. Er fragte mich: "Willst du in den tiefen, tiefen Busch oder in den Busch?" Ich entschied mich fürs erste. Er sagte: "Okay, dann bereite dich für Chitawe (Eastern Province) vor." Ich hatte natürlich überhaupt keine Ahnung, wo und wie Chitawe ist.
"Reisen und Sitzen"
Ich bin am 24.05 von der Busstation in Lusaka gestartet. Nachdem ich mir im Chaos des Busbahnhofs ein Ticket gekauft habe, stieg ich in den Bus mit der Gewissheit es geht bald los. Mir wurde versprochen, dass es um 12: 30 Uhr losgehen wird. Doch hier ist "Pünktlichkeit" ein Fremdwort aus dem fernen Europa. Hier geht es erst los, wenn der Bus voll ist. Die Busgesellschaften sind sehr rafiniert. Sie bezahlen Leute, die einfach nur im Bus sitzen, damit wir, die dummen Reisenden, denken dass es bald losgeht. Die Atmosphäre kann einen sehr aggressiv machen: Viele der "gefäschten Fahrgäste" verlassen den Bus, tausende Leute kommen bis zu dreimal in der Wartezeit in den Bus und versuchen Getränke, Kekse, Würstchen, Uhren, Ketten, Dvd´s, Haarschneidemaschinen, usw. zu verkaufen. Nach vier Stunden warten im Bus ging es endlich los. Ich kam um 21:30 Uhr mit starken Schmerzen in Petauke an. Dort habe ich eine Nacht bei einem Missionar geschlafen. Am nächsten Morgen haben wir uns mit dem Auto von ihm auf dem Weg nach Chitawe begeben. Es ging durch den Busch, auf unbefahrbaren Strassen. Als wir im Dorf ankamen wurde mir etwas mulmig zumute als ich daran dachte, dass ich hier eine Woche (über-)leben muss.Die Kinder im Dorf liefen uns schreiend hinterher. Ich denke, dass ich einer der ersten "Muhzungus" im Dorf war. Dann verließ der Missionar aus Petauke mich.
Lifestyle
Eine alte Tradition um Gäste Willkommen zu heißen ist ein Huhn zu schlachten und dem Gast zu servieren. Es war wirklich total lustig, wie die Kinder hinter dem armen, Tod geweihten Huhn hergelaufen sind und es letztendlich schlachteten.

Die Menschen hier sind ziemlich arm. Sie leben in kleinen Hütten mit ihrer ganzen Familie. Es gibt hier kein fließend Wasser, kein Strom. Fast alle haben ihr kleines Feld, auf dem sie hauptsächlich Mais und Katton pflanzen. Da viele vormittags auf dem Feld arbeiten, ist das Dorf vormittags ziemlich leer. Nachmittags findet man alle vor ihren Hütten sitzen.
Die Männer hier sind ziemlich faul, währenddessen die Frauen fleißig hart arbeiten. Ein typisches Bild hier ist: Ein Mann hat eine Axt auf seiner Schulter. Die Frau folgt ihm mit einem schweren Korb Mais auf dem Kopf, ein Kind auf den Rücken und Werzeug oder einen Korb in den Händen. Die Männer sitzen gern im Schatten, unterhalten sich über unwichtige Themen, währenddessen die Frauen ihnen Essen, Wasser vom Fluss bringen und andere Tätigkeiten erledigen. Das Dorf wird von dem "Headman" und seiner Familie regiert. Man muss ihm mit sehr viel Respekt begegnen.



Der Überlebenskampf und andere schöne Erfahrungen
Die erste Nacht war wirklich ziemlich hart für mich. Ich lag auf dem harten Boden und hörte wie sich irgendetwas neben mir bewegte. Ich griff zu meiner Taschenlampe. Eine Ratte neben mir, ich leuchte zur Decke: zwei oder drei Ratten über mir. Toll, ich muss nicht allein in meiner Hütte schlafen. Die erste Nacht hatte ich Schwierigkeiten meine Kamaraden zu akzeptieren und konnte nicht ganz so gut einschlafen. Doch leider hat es nicht ganz so gut mit unserer Freundschaft geklappt, so dass sie sich dann die nächsten Nächte nicht so häufig blicken ließen. Der Grund war, dass sie Licht nicht mögen und ich meine Taschenlampe in der Nacht anließ.Aber ich habe sie immer wieder auf der Toilette getroffen:)
Andere Freunde habe ich im "Badezimmer" kennengelernt-die Schweine. Das "Badezimmer" ist aus Gräsern und Bambus angefertigt. Das Wasser, dass zum Baden genutzt habe, haben die Schweine hinter dem Badezimmer genutzt. Außerdem ist das Badezimmer sehr praktisch, da die Gräser nicht ganz so hoch sind, kann man sich während des Badens mit den Dorfbewohnern unterhalten:)

Einer der Gemeindemitglieder hat mir sein Feld außerhalb des Dorfes gezeigt (zum Glück ist mir keine Schlange über den Weg gelaufen). Dort habe ich "Kasava" probiert. Es sieht aus wie Bambus. Man entfernt die äußere Schale und kann dann das etwas bitter, süße Innere essen.
Ich wurde sehr priveligiert in dem Dorf: Die Familie des Ältesten der Gemeinde hatte am Dienstag (25.05) Nachwuchs bekommen. Am Donnerstag fragte ich nach dem Namen des Jungen. Sie hatten keinen. Der Vater fragte, welche Namen ich gut finde. Ich sagte, dass ich grundsätzlich Namen aus der Bibel gut finde, wie Timotheus (Timothy). Am Abend sagte er mir, dass sein Junge Timothy heißt. Was ich erst später erfahren habe ist, dass der Namensgeber dem Kind ein Geschenk geben muss.
Ich habe versucht Nyanja(eine der 73 lokalen Sprachen) zu lernen, da die Menschen im Dorf kein Englisch sprechen. Es kann ganz schön anstrengend sein eine Sprache ohne Grammatik und Vokabelbuch zu lernen. Es hat aber sehr viele Spass gemacht zu versuchen gewisse Strukturen in der Sprache zu finden.
Am Sonntag bin ich ca. eine Stunde in ein Nachbardorf geradelt. Dort habe ich meine erste Predigt in einer Buschgemeinde von ungefähr 45 Leuten gehalten. Ich predigte in Englisch und wurde in Chichewa übersetzt. Sehr lustig war, dass es für die Einheimischen völlig normal war während der Predigt Babies zu stillen:)Ich habe über Markus 2, 1-12 gepredigt. Der Bibeltext zeigt sehr deutlich, dass das größte Bedürfniss eines Menschen Sündenvergebung ist. Allein Jesus ist fähig Sünden zu vergeben, weil er Gott und Mensch zugleich ist und am Kreuz für Sünder starb. Nach einem guten Mittagessen, dass aber von Bauchschmerzen begleitet wurde, sind wir zurück geradelt.

Am nächsten Tag war der Abschied wirklich schwer. Sehr bewegend war für mich, dass zwei Damen aus der Gemeinde mir je 1000 Kwacha (ca. 15 Cent) spendeten. Für uns ist der Betrag lächerlich, aber für die Menschen im Dorf ist das extrem viel, da sie fast gar kein Einkommen haben. Mir kamen fast die Tränen als ich sah wie Gott Menschen verändern kann, so dass sie selbst in mitten der Armut ein williges Herz haben Geld für Mission zu investieren.

Missionarbeit im Busch und ihre Herausforderungen
Pastor Matthew Banda hat drei Jahre eine reformierten Bibelschule besucht und wurde dann von Kabwata Baptist Church zurück in sein Heimatdorf als Missionar gesandt. Er hat dort die "Grace Reformed Baptist Church" gegründet. Die Gemeinde hat mittlerweile ungefähr 30 Mitglieder.
Es gibt viele Herausforderungen in diesem Missionsfeld. Ich will einige aufzählen, die ich beobachten konnte. (1) Die mangelndene Bildung macht die Missionsarbeit manchmal sehr schwierig. Man kann als Missionar gewisse Dinge nicht vorausetzen. Man muss Predigten sehr einfach gestalten, damit die Leute sie gut verstehen können. Gleichzeitig muss man aufpassen, dass man das Evangelium nicht verkürzt.
(2) Da viele Leute die Bibel oder Bücher nicht alleine lesen können ist das Bibelwissen dementsprechend gering. Grundsätzliche Prinzipien des christlichen Glaubens werden manchmal nicht beachtet. Ich traf einen Mann im Dorf, der früher Pastor einer Gemeinde war. Er war Pastor, weil er einer der wenigen war, der Lesen und Schreiben konnte. Das Problem war, dass er viele Mädchen aus der Gemeinde missbrauchte und zwei Frauen hat. Es war einfach sehr traurig, dass diese Leute, die sich Christen nennen, so etwas duldten. Es fehlen hier Männer, die ein gottesfürchtiges Leben führen und das Evangelium predigen.
(3) Der "Grace Reformed Baptist Church" fehlen finanzielle Resourcen. Ihr altes Gemeindehaus ist während der Regenzeit zusammengebrochen. Außerdem fehlt das Geld für Bibeln, Liederbücher. Im Dorf ist die HIV-Infektionsrate extrem hoch. Ich habe schon mal berichtet, dass die HIV-Infektionsrate in Sambia zwischen 20 und 30 Prozent liegt. Im Dorf ist die Rate bei weitem höher als in der Stadt. Was aber erschreckend war, dass viele versuchen mit allen Mitteln an Geld zu kommen. Sie lügen dich an, dass sie Geld für die Medizin brauchen, sonst würden sie sterben. Wenn du ihnen sagst, dass die Medizin kostenlos ist, sagen sie dass sie das Geld für die Kinder brauchen.
(4) Die Gemeinde ist nicht wirklich evangelistisch aktiv. Das Problem ist, dass sie denken: Ich bin gerettet und gehe zur Kriche-das wars. Sie sehen nicht ihre Verantwortung, das Evangelium weiterzugeben. Ich denke, dass es nicht anders ist bei uns in Deutschland. Ich hoffe, dass die Gemeinde dort vor Ort wirklich erkennt, wie wichtig es ist das Evangelium weiterzugeben und nicht nur Sonntags zur Kirche zu gehen und tolle Lieder zu singen.

Ich bin Gott sehr dankbar für seine Bewahrung im Busch und dass ich viele hilfreiche Lektionen für Missionsarbeit, aber auch fürs Leben gelernt habe. Falls ich noch mehr Fragen zu meinem Einsatz im Busch habt, könnt ihr gerne fragen.

Wenn ihr die Fotos größer sehen wollt, könnt ihr sie einfach anklicken.


4 Kommentare:

  1. Ein wirklich schöner Bericht. Weiterhin alles Gute dir Emil.

    AntwortenLöschen
  2. Danke. Ich glaube, dass Leben im Busch wäre auch was für dich:)

    AntwortenLöschen
  3. Emil, ich bin echt beeindruckt wie du das alles meisterst :) Einfach nur genial und mach weiter so!

    AntwortenLöschen
  4. Danke Natalie! Das musst du auch mal erleben:) Wann bist du wieder zurück in Deutschland? LG

    AntwortenLöschen